Verschiedene Formen des Gedenkens und der Auseinandersetzung mit Verfolgung und Widerstand während des Nationalsozialismus haben sich im Laufe der Zeit in Solingen entwickelt, etabliert und gewandelt. Am Anfang stand die Aufarbeitung des Endphaseverbrechens am Wenzelnberg, die sowohl aus antifaschistischen Widerstandskreisen wie von den Alliierten aktiv eingefordert wurde. Die Auseinandersetzung mit dem Holocaust erreichte zum 40. Jahrestag der Reichspogromnacht breitere Aufmerksamkeit und führte in der Folge zu Ausstellungen und Publikationen, Gedenkveranstaltungen und sichtbaren Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum. 2019 konnte schließlich die Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte zur lokalen Geschichte der NS-Zeit angestoßen werden.
1946 bis heute: Jährliche Gedenkveranstaltungen zum Massaker am Wenzelnberg. Dabei ist die Stadt Solingen von 1965 bis 1970 und seit 1977 Mitausrichterin.
7. September 1950: Gegenüber dem Ohligser Rathaus wird das „Mahnmalhaus“, ein Wohnhaus für die Hinterbliebenen der Opfer des Nationalsozialismus, eingeweiht.
Mai 1974: Für den Wunsch der VVN/BdA, zur 600-Jahr-Feier den Widerstandskampf in einer Ausstellung zu würdigen, „gab die Stadtverwaltung weder die notwendigen Räumlichkeiten noch erforderliche Geldmittel frei.“
1975: Inge Sbosny und Karl Schabrod veröffentlichen das Buch „Widerstand in Solingen“ mit einem Grußwort von Oberbürgermeisterin Elisabeth Roock.
8. Juni 1978: Beschluss des Solinger Stadtrats, zum 40. Jahrestag der Pogromnacht eine Gedenkstunde mit dem Judaisten und Historiker Prof. Ernst Ludwig Ehrlich durchzuführen.
1. November 1978: Ausstellung des Stadtarchivs zur NS-Herrschaft in Solingen.
9. November 1978: Erste größere Gedenkdemonstration zum Novemberpogrom mit 450 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
28. Februar 1979: Beschluss der Bezirksvertretung Mitte zur Umbenennung der Hohen Gasse in „Max-Leven-Gasse“ bei vier Gegenstimmen.
29. November 1979: Anbringung einer Gedenktafel zur zerstörten Synagoge am Bunker Malteserstraße. Schüler hatten dafür Unterschriften gesammelt.
Ende der 1970er Jahre: Dokumentation „Alternative Stadtrundfahrt“ von VVN/BdA und Evangelischer Jugendbildungsstätte. Bis heute finden dazu Führungen statt.
1987: Gründung der Schüler-Arbeitsgemeinschaft Jüdischer Friedhof durch Wilhelm Bramann, Lehrer der Gesamtschule Solingen, heute Alexander-Coppel-Gesamtschule. Nach wie vor wird der Friedhof von der Schüler-AG betreut und gepflegt. Zur Tätigkeit der AG gehört auch der Kontakt mit den Nachkommen und der regelmäßige Schüleraustausch mit einer Partnerschule in Ness Ziona, der Partnerstadt Solingens in Israel.
Februar 1995: Die Arbeitsgemeinschaft Bunker/Synagoge entsteht unter der Leitung von Horst Sassin am Gymnasium Schwertstraße und entwickelt zahlreiche Projekte, unter anderem Fahrten nach Düsseldorf, Brüssel, Auschwitz und Lodz.
2000: Die Bezirksvertretung Gräfrath benennt das Haus der Jugend in Gräfrath nach Fritz Gräbe und beschließt die Benennung einer zu bauenden Straße nach ihm.
31. März 2004: Das Gebäude der Volkshochschule und der Stadtbibliothek an der Mummstraße wird nach dem jüdischen Mediziner Dr. Emil Kronenberg benannt, der sich im städtischen Bildungsausschuss und der Solinger Lesegesellschaft engagiert hatte.
28. Mai 2004: Erste Verlegung von Stolpersteinen durch den Künstler Gunter Demnig. Der Solinger Appell hat den „Unterstützerkreis Stolpersteine“ initiiert, Oberbürgermeister Franz Haug übernimmt die Patenschaft. Die inzwischen mehr als 120 Schicksale dokumentiert das Stadtarchiv, seit 2018 putzen Jugendliche von elf Schulen die Stolpersteine.
4. März 2007: Einweihung des Mahnmals an der Korkenziehertrasse für die ermordeten Solinger Sinti und Jenischen. Ein jährlicher Mahngang wird seit 2014 unter anderem vom Solinger Appell und von SOS Rassismus organisiert.
Seit 9. November 2007: Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht werden von der Stadt Solingen in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, dem Bündnis für Toleranz und Zivilcourage, der Jüdischen Kultusgemeinde Wuppertal und dem Jugendstadtrat veranstaltet.
Dezember 2013: eine Straße in einem Neubaugebiet in Ohligs wird nach der Widerstandskämpferin Tilde Klose benannt.
3. Dezember 2015: Der Bergische Geschichtsverein, Abteilung Solingen spendet dem nach Fritz Gräbe benannten Jugendzentrum Gräfrath eine Informationstafel über den Namensgeber.
28. April 2015: Umbenennung der Gesamtschule Solingen in „Alexander-Coppel-Gesamtschule“ im dritten Anlauf. 1996 hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Benennung nach Gustav oder Alexander Coppel angeregt. Im Coppelstift informiert seit 2000 eine Ausstellung über die Familie Coppel. 2005 wird im Südpark eine Straße nach Alexander Coppel benannt, seit 2012 trägt der Park am Coppelstift den Namen Gustav Coppels.
8. Mai 2015: Vor dem Walder Rathaus wird auf Initiative der VVN/BdA eine Stele eingeweiht, die an den lebensgefährlichen Einsatz der Widerstandskämpfer um Karl Bennert im April 1945 erinnert, die eine Übergabe des Stadtteils Wald ohne weiteres Blutvergießen an die amerikanischen Truppen ermöglichte.
2017: Eine Neubau-Straße nahe seiner letzten Gräfrather Wohnung wird nach Fritz Gräbe benannt.
2019: Ein Arbeitskreis engagierter Bürgerinnen und Bürger mobilisiert breite Unterstützung für die Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte an der Max-Leven-Gasse, wo die Stadt-Sparkasse Solingen einen Neubau plant. Ende Mai entscheidet die Sparkasse dort Räume zur Verfügung zu stellen. Im September 2019 beschließt der Solinger Stadtrat, die Trägerschaft für die Einrichtung zu übernehmen, und der Verein Max-Leven-Zentrum Solingen e. V. wird gegründet. Die Eröffnung ist für 2023 geplant.
Quellen:
– Sbosny/Schabrodt, „Widerstand in Solingen“, Frankfurt am Main, 1975
– Stadtarchiv Solingen (Hrsg.): Nationalsozialistische Herrschaft in Solingen, Solingen 1978; Fotos Schweigemarsch 1978, Führung jüdischer Friedhof; Zeitungsarchiv u.a.
– Daniela Tobias: sonstige Fotos
– Ralf Rogge, Armin Schulte, Kerstin Warncke: Solingen – Großstadtjahre 1929-2004, Wartberg-Verlag 2004
– Solinger Geschichtswerkstatt – Manfred Krause (Hg.): „…dass ich die Stätte des Glückes vor meinem Tode verlassen müsste“ – Beiträge zur Geschichte jüdischen Lebens in Solingen. Solingen 2000
– Armin Schulte: „Man soll mich nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen, Schicksale 1933-1945, Solingen 2020