Hochburg der Arbeiterbewegung

Im Vordergrund das Gewerkschaftshaus an der Kölner Straße, rechts davon SBV- und AOK-Gebäude, Quelle: Stadtarchiv Solingen, RS 22380 (Max Biegel)

Solingen war eine vom Protestantismus geprägte Industriestadt. Gleichzeitig war sie eine der Wiegen der deutschen Arbeiterbewegung mit bedeutenden Fachvereinen und Gewerkschaften sowie einer starken Sozialdemokratie. Solingen wurde erst 1929 durch die Zusammenlegung von (Alt-) Solingen, Höhscheid, Ohligs, Wald und Gräfrath eine Großstadt mit etwa 140.000 Einwohnern.

1917 zerbrach auch die Solinger SPD an der Zustimmung zum Krieg. Die Parteibasis in Alt-Solingen, Wald, Höhscheid, Gräfrath und Ohligs schloss sich mit übergroßer Mehrheit der Solinger USPD an. Bereits bei der Kommunalwahl im November 1919 erhielt die USPD in Wald, Höhscheid und Ohligs die absolute Mehrheit in den Stadtverordnetenversammlungen, in Alt-Solingen und Gräfrath wurde sie immerhin stärkste Kraft.

Die deutliche Mehrheit der Solinger USPD schloss sich 1920 der KPD an, nur eine Minderheit kehrte zur SPD zurück. Bei der Landtagswahl im Februar 1921 wurde die KPD in allen zukünftigen Solinger Stadtteilen zur Massenpartei: Sie konnte in der Folgezeit ihre Ergebnisse bis knapp über 40 Prozent steigern.

Ergebnisse der Kommunalwahlen in Solingen 1919–1933

Bis 1924: Stadt Solingen, Ohligs, Wald, Gräfrath und Höhscheid addiert, ab 1929: Groß-Solingen. Die Bürgerlichen Bündnisse aus DDP, DVP, DNVP und Zentrum wechselten in den einzelnen Wahlbezirken in unterschiedlicher Zusammensetzung. In der Darstellung fehlen Kleinstparteien. Quelle: Solinger Tageblatt, Bergische Zeitung, Ohligser Anzeiger


Hermann Weber, KPD. Quelle: Stadtarchiv Solingen

1930 wurde der Solinger Kommunist Hermann Weber mit den Stimmen von SPD und Kommunistischer Partei-Opposition (KPO) zum ersten kommunistischen Oberbürgermeister einer Großstadt gewählt. Das Amt konnte er aber nicht antreten, weil das SPD-geführte Preußische Staatsministerium die Ernennung nicht bestätigte. Weber hatte es abgelehnt, den Eid auf die Verfassung abzulegen. Stattdessen wurde der sozialdemokratische Verwaltungsbeamte Josef Brisch als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt.

Ergebnisse der Reichstagswahlen in Solingen 1920-1933

Bis 1928: Stadt Solingen bestehend aus Alt-Solingen und Dorp, ab 1930: Groß-Solingen. In der Darstellung fehlen DNVP und weitere Kleinparteien. Quelle: 50 Jahre Wahlen in Nordrhein-Westfalen 1919-1968, Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1969

Als die KPD 1928 ihre Angriffe gegen die sozialdemokratisch dominierten Freien Gewerkschaften verschärfte, kam es zu massiver innerparteilicher Kritik am politischen Kurs der KPD. Die Kritiker verteidigten die alte Einheitsfrontpolitik und wurden aus der Partei ausgeschlossen. Sie versuchten sich später als KPO zu reorganisieren.

Im August 1932 wurde Solingen in den Rang eines NSDAP-Kreises gehoben und der Arzt Dr. Helmuth Otto zum Kreisleiter ernannt. Erst 1931 war er in die SA und die Partei eingetreten. Zu seiner Motivation für den Parteieintritt schrieb er 1948 rückblickend:

„Ich wurde mir völlig klar drüber, daß die bürgerlichen Parteien [vor] der brachialen Gewalt der Roten die Flagge streichen würden und daß nur eine einzige Partei eventuell noch Einheit gebieten könnte und das waren die Nationalsozialisten!“

Dr. Helmuth Otto im Solinger Tageblatt vom 4. April 1933, Quelle: Stadtarchiv Solingen

Auch nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 und nach den Verhaftungen nach dem Reichstagsbrand konnte die KPD bei der – nicht mehr freien – Reichstagswahl am 5. März 1933 in Solingen noch 35,9 % der Stimmen erzielen. Erst jetzt überholte die NSDAP die KPD mit 39,3 %.

Mitentscheidend für die kampflose Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Aufspaltung der Arbeiterbewegung in KPD und SPD, KPO und Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), in freie, christliche und kommunistische Gewerkschaften wie den sogenannten Einheitsverband der Metallarbeiter. Selbst Arbeiterkulturvereine wie die Naturfreunde, Arbeitersänger und Arbeitersportvereine spalteten sich.

Quellen:
– Stadtarchiv Solingen: RS 22380, Solinger Tageblatt, Bergische Zeitung, Ohligser Anzeiger
– Statistisches Landesamt Nordrhein-Westfalen: 50 Jahre Wahlen in Nordrhein-Westfalen 1919-1968, Düsseldorf 1969