Kurz vor dem Einmarsch der Alliierten, am Morgen des 13. April 1945, wurden 71 Häftlinge, darunter 15 politische Gefangene und vier Zwangsarbeiter, aus dem Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen und dem Wuppertaler Polizeipräsidium in die Schlucht am Wenzelnberg gefahren. An ihrer Exekution in dem abgelegenen Waldstück an der Grenze zwischen Solingen und Langenfeld waren etwa 100 Gestapo- und Kripobeamte sowie Schutzpolizisten beteiligt.
Den Befehl des Generalfeldmarschalls Walter Model, vor dem Einrücken der Alliierten vor allem politische Gefangene zu töten, setzte in Wuppertal der Leiter der Gestapoaußenstelle Josef Hufenstuhl in eine konkrete Anweisung um. Leiter des Erschießungskommandos war Kriminalkommissar Theodor Goeke. Auch zehn Schutzpolizisten aus der Polizei-Bereitschaft, die an der Schule Wittkuller Straße in Solingen-Wald stationiert waren, wurden zu der Mordaktion befohlen.
„Nach Eintreffen in der Nähe der Mordstätte wurden die Leute ausgeladen und zu der Sandgrube geführt. […] Der Weg führte etwas bergan und einige Kranke mussten dahin geschleppt werden, weil sie sich selbst nicht aufrechthalten konnten. Auch befand sich ein Beinamputierter dabei. Die Gefangenen waren […] zu zweit aneinander gefesselt. Die Hinrichtung dauerte ungefähr 1 Stunde. Nach dem wurden die Anwesenden beauftragt, die Grube wieder zuzuschaufeln.“
Karl Bennert in seinem Schlussbericht für die amerikanische Untersuchungskommission
Obwohl der Widerstandskämpfer Karl Bennert zusammen mit dem amerikanischen Geheimdienst-Mitarbeiter Jerry Lilienthal in den folgenden Wochen zahlreiche Täter ermitteln konnte, wurde keiner der Verantwortlichen je verurteilt, da alle eine unmittelbare Tatbeteiligung abstritten oder sich auf Befehlsnotstand beriefen.
Am 30. April 1945 wurden 40 bekannte NSDAP-Mitglieder herangezogen, um die Leichen zu exhumieren. Am nächsten Tag wurden die Ermordeten vor dem Ohligser Rathaus bestattet. Dem von den Alliierten ernannten Solinger Oberbürgermeister Oskar Rieß (SPD) war befohlen worden, 1.000 Teilnehmer für die Beerdigung zu organisieren. Es kamen 3.000 Männer, Frauen und Kinder.
„Auf dem Platz vor dem Rathaus waren Einzelgräber ausgehoben, die mit Kieferzweigen und rotem und weißem Flieder geschmückt waren. Als die Lastwagen mit den Leichen eintrafen, hob das Nazigrabkommando die Leichen von den Ladeflächen und legte jede behutsam in ein neues Grab. Der Geruch, der von den Leichen ausging, war ekelerregend, der Zustand mancher Leichen furchtbar. Eine Leiche, der ein Bein fehlte, wurde zusammen mit der Krücke begraben, die ihr Besitzer mit sich geführt hatte, als er erschossen wurde. Das Begräbnis dauerte zwei Stunden, während die Zuschauer still und aufmerksam dabeistanden. Wegen des furchtbaren Geruchs bedeckten die meisten Zuschauer ihre Nasen mit Taschentüchern. Als die letzte Leiche ins Grab gesenkt war, wurden alle Anwesenden gezwungen, an den Gräbern vorbeizuziehen und einen Blick auf die Toten zu werfen, bevor die Gräber zugeschaufelt wurden. Die Bevölkerung wurde verpflichtet, sich stets um die Erhaltung dieses kleinen Friedhofes im Zentrum ihrer Stadt zu kümmern.“
Bericht über die Exhumierung, Übersetzung aus: Byrnes, Laurence G.: History of the 94th Infantry Division, S. 473, Rejek, Dokumentation, S. 10
Ein evangelischer, ein katholischer und ein jüdischer Geistlicher hielten die Trauerfeier. Als Repräsentanten der Solinger Stadtgesellschaft nahmen der katholische Pfarrer von Ohligs, Bernhards, der evangelische Pfarrer Kuhn, Oberbürgermeister Oskar Rieß sowie der antifaschistische Ausschuss teil.
„Mögen die Toten in Frieden ruhen vor diesem Rathaus und möge das Verbrechen zur Abschreckung aller Bürger dienen, damit sie alles tun, was in ihren Kräften steht, um für immer solche Unmenschlichkeiten zu verhindern. Wir sind nicht imstande, den Ozean von Tränen zu trocknen, den Hitlers Regime geschaffen hat.“
Grabrede des neu ernannten Oberbürgermeisters Oskar Rieß (SPD)
Seit 1946 finden jedes Jahr Gedenkveranstaltungen statt. 1965 wurden die sterblichen Überreste erneut exhumiert und am Mahnmal Wenzelnberg bestattet. Die Stadt Solingen war von 1965 bis 1970 und ist seit 1977 Mitausrichterin der Gedenkfeiern. 2020 fiel die Gedenkfeier erstmals wegen der Corona-Pandemie aus.
Die Namen der Opfer
Ludwig Baumann, Hugo Breenkötter, Josef Breuer, Leopold Chocensky, Wilhelm Clemens, Heinrich Dietz, Christian Döhr, Adolf Führer, Wilhelm Fatscher, Bernhard Funkel, Johann Galwelat, Otto Gaudig, Karl Grabowski, Wilhelm Gietmann, Albert Grandt, Johann Hense, Adolf Hermanns, Karl Horn, Wilhelm Hanrath, Hans Holzer, Ferdinand Jahny, Wincente Jankowski (Polen), Hermann Jäger, Friedrich Knopp, Arthur Koch, Friedrich Kamleiter, Jakob Krieger sen., Josef Kuhnt, Heinrich Kubick, Rudolf Käferhaus, Daniel Kresanowski (UdSSR), Walter Kuhlmann, Wilhelm Kranz, Max Lang, Erich Lohmer, Paul Lisziun, Hermann Landtreter, Horst Lettow, Henry Liebisch, Ferdinand Margreiter, Heinrich Marth, Otto Markus, Gustav Marnitz, Franz Müller, Walter Nell, Josef Nikolay, Hubert Offergeld, Heinrich Rode, Adolf Röder, Herbert Runkler, Sylvester Shiatecki, Heinrich Schlieper, Karl Schulz, Wilhelm Stangier, Mitrofan Saitzki (UdSSR), Franz Spitzlei, Theodor Schmidt, Johann Schyra, Paul Tegethoff, Max Thiemann, Josef Thiemann, Heinrich Triess, Paul Wondzinski, Karl Wallraven, Hans Wimmershof, Wilhelm Wilgeroth, Victor Wolynec (UdSSR), August Zywitzki, drei Unbekannte
Quellen:
– United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and Records Administration, College Park
– Byrnes, Laurence G.: History of the 94th Infantry Division
– Rejek, Annelies: Die Geschehnisse am Wenzelnberg. Eine Dokumentensammlung, Langenfeld 1995
– Stadtarchiv Solingen, Na 44 – 5, Nachlaß von Georg Artur Meistermann
– Bhatia, Lieselotte / Stracke, Stephan: In letzter Minute – Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land