Hanne Dorfmüller

Nachkriegsfoto von Hanne Dorfmüller, Quelle: Stadtarchiv Solingen, Ve 73-240

Hanne Schüssler wurde am 6. April 1900 in Wald geboren. Über einen erlernten Beruf ist nichts bekannt. Ihr Vater war Maurer, ihre Mutter ohne Beruf. Sie war mit dem in Remscheid geborenen Willi Dorfmüller verheiratet.

Hanne Dorfmüller war nach eigenen Angaben seit Anfang 1930 Mitglied der KPD und der „Roten Hilfe“, Ortsgruppe Solingen-Höhscheid, für die sie Beiträge kassierte. Dafür wurde sie am 8. August 1934 zu einem Jahr Zuchthaus wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt, als sie bereits schwanger war.

Sie hatte vor Gericht ausgesagt, dass sie ihren Posten als Unterkassiererin der Roten Hilfe im Mai 1933 aufgegeben habe, als sie das zuletzt gesammelte Geld von 3,50 Reichsmark in ihrer Wohnung an die Bezirkskassierer weitergab. In einem Vermerk zur Strafsache ist zu lesen: „Frau Dorfmüller gilt als überzeugte Kommunistin, die sich der Tragweite ihrer Handlungsweise unbedingt bewusst war. Ihr Ehemann war ebenfalls ein eifriger Funktionär der KPD und wurde direkt nach der nationalen Erhebung in Schutzhaft genommen. Die Eheleute Dorfmüller leben in sehr ärmlichen Verhältnissen.“

Mitgliedsbuch der Roten Hilfe Deutschlands. Die Rote Hilfe Deutschland wurde 1921 zur Unterstützung von Angehörigen aus politischen Gründen Inhaftierter gegründet. Vorgänger war 1919 die Frauenhilfe für politische Gefangene. Sie hatte 1933 mehrere Hundertausend Mitglieder trotz zeitweiliger Verbote. Die heute bestehende Rote Hilfe sieht sich in der Tradition der RHD. , Quelle: LAV NRW Rheinland, Gerichte Rep. 114 Nr. 7407 11 Bl. 1


Mehrere Haftentlassungsgesuche erreichten lediglich eine Haftunterbrechung zur Geburt ihres Kindes. Noch vor Beendigung der Haftunterbrechung schaltete sich die „Ortsfrauenschaft“ Solingen-Höhscheid ein, die an den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Hamm schrieb. Sie berichteten von einer „gewissen Erregung“ darüber, dass eine Mutter von ihrem zwei Monate alten Kind getrennt würde, um ihre Haftstrafe fortzusetzen, zumal sie aufgrund einer Venenentzündung in gesundheitlich schlechtem Zustand sei.

„Frau Dorfmüller würde dadurch von ihrem Kinde getrennt. In der hiesigen Frauenschaft wie auch unter den Mitarbeiterinnen der N.S.V. und dem Hilfswerk ,Mutter und Kind‘ herrscht eine gewisse Erregung hierüber, welche menschlich nur zu verständlich ist und unsere Arbeit sehr erschwert.“

Gnadengesuch der NS-Frauenschaft für Hanne Dorfmüller, März 1935

In dem Schreiben vom 28. März 1935 heißt es weiter: „Alles das lässt unseres Erachtens den Schluss zu, dass Frau D. während der verbüssten 4 Monate härter gelitten hat, als dies normalerweise bei Verbüssung der Gesamtstrafe hätte der Fall sein können. Nicht schwer zu beantworten ist weiter die Frage, unter welchen Umständen die Familie Dorfmüller leichter dem neuen Staatsgedanken näher gebracht werden kann.“ Es habe „eine verschärfte Kontrolle der Familie eingesetzt“, unter der „eine unverkennbare Änderung in der Gesinnung der Familie“ und „eine grundlegende Wandlung … festgestellt“ worden sei.

Der gewährte Strafaufschub wurde zwar damit begründet, dass „dem Volksempfinden Rechnung zu tragen sei“, er solle „jedoch nicht als Schwäche gegen den Kommunismus ausgelegt werden.“ Die befürwortete Aussetzung der Reststrafe wurde vom Oberlandesgericht Hamm abgelehnt, da der verbüßte Anteil an der Strafe noch zu gering sei. Vielmehr wurde es als „Hafterleichterung“ angesehen, dass man Hanne Dorfmüller erlaubte, ihre Tochter im Gefängnis bei sich zu behalten.

Quellen:
– Sbosny/Schabrodt, „Widerstand in Solingen“, Frankfurt am Main, 1975
– Landesarchiv NRW Westfalen: Q 211a / Generalstaatsanwaltschaft Hamm, Erstinstanzliche Strafsachen Nr. 1482
– Landesarchiv NRW Rheinland: Mitgliedsbuch Rote Hilfe, Gerichte Rep. 114 Nr. 7407 11 Bl. 1
– Stadtarchiv Solingen: Foto Hanne Dorfmüller, Ve 73-240