Neben zivilen ausländischen Zwangsarbeiter:innen waren auch etwa 1.150 Kriegsgefangene unter denjenigen, die in Solingen Zwangsarbeit verrichten mussten. Insbesondere die Soldaten der Roten Armee wurden dabei von der NS-Propaganda als bolschewistische „Untermenschen“ dämonisiert und nicht den internationalen Konventionen zum Umgang mit Kriegsgefangenen gemäß behandelt.
Auch in Solingen boten die sowjetischen Arbeiter einen erbarmungswürdigen Anblick. Einer derjenigen, die zu helfen versuchten, war Paul Schürmann, der bei der Firma E. & F. Hörster an der Katternberger Straße als Dreher dienstverpflichtet war. Die Firma Hörster gehörte nach Kriegsbeginn zu den größten Arbeitgebern von Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen. Laut späteren Angaben der KPD verbrachte Paul Schürmann bereits 1941 zwanzig Tage in „Schutzhaft“ wegen verbotener Verbindung zu sowjetischen Kriegsgefangenen.
Im Februar 1943 wurde Schürmann vom Betriebsobmann Max Bellone beobachtet, wie er einer jungen Arbeiterin aus der Sowjetunion Zigaretten zusteckte. Es kam zu einer Auseinandersetzung, und Schürmann wurde am folgenden Tag verhaftet. Im Mai 1943 verlegte man ihn als politischen „Schutzhäftling“ ins KZ Buchenwald. Ende Juli 1943 wurde der vierfache Vater in ein Außenlager des KZ Ravensbrück bei Peenemünde gebracht, wo die Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen für die Heeresversuchsanstalt arbeiten mussten. Im Oktober 1943 kam er schließlich in das Außenlager Mittelbau-Dora, wo in einem unterirdischen Stollen die Produktion der „Vergeltungswaffen“ „V1“ und „V2“ vorangetrieben wurde. Paul Schürmann starb hier am 5. Dezember 1943, angeblich an einer Blutvergiftung.
„Eine ganze Zeit habe ich von meinem Mann nichts gehört, plötzlich am 19. Dezemb. 1943 bekam ich den Bescheid das mein Mann verstorben ist, an einer Krankheit oder Mißhandlung ist mir nicht mitgeteilt worden. […] Sie können sich nicht vorstellen, wie es mir zumute war, wenn ich daran dachte, was mein Mann zu erdulden hatte, abgesehen davon, daß ich mit meinen vier Kindern mittellos dastand.“
Hedwig Schürmann in einem Brief an die Kriminalpolizei Solingen vom 3.9.1945, Quelle: Stadtarchiv Solingen, SG 16419
1956 wurde der Witwe eine Entschädigung verweigert. „Was das Verhalten gegenüber Fremdarbeitern aus feindlichen Ländern anbelangt, so sind während des Krieges die einengenden Bestimmungen für jedermann bindend gewesen“, hieß es seitens des Regierungspräsidiums lapidar.
Quellen:
– Armin Schulte, „Es war so schwierig, damals zu leben.“ Ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene in Solingen 1939-1945, Solingen 2001.
– Armin Schulte, „Man soll mich nur nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen. Schicksale 1933-1945, hrsg. vom Stadtarchiv Solingen. Solingen 2020, darin Schicksal von Paul Schürmann, S.263f.
– Stadtarchiv Solingen: Wiedergutmachungs-Akte Paul Schürmann, SG 16419